Den folgenden Text habe ich vor ein paar Wochen im Anschluss an diesen Artikel geschrieben, der von meinem Weg zum Sport sowie meiner sehr holperigen ersten Saison und ihren Hürden berichtete. Wer ihn noch nicht gelesen hat und mag, klickt:
Mein Artikel zum ersten Weg auf die Bühne
Wer nicht mag kurz vorab: Dem Sport ging essgestörtes Verhalten und ein Abnehmen durch mithilfe von „Techno Partys“ voraus. Die mit geilsten drei Jahre meines Lebens, aber auch Raubbau am Körper durch die Hungerei und ein halbes Jahr durch die Art des „Feierns“. Ich fühlte mich in meinem Körper nicht wohl, ich fühlte mich zu dick, unattraktiv und dachte, wenn ich denn nur „schön“ wäre, wären alle anderen Probleme egal. Ich habe mich jahrelang für meinen Körper geschämt und empfand ihn, als ich schon länger trainierte, als eine Zusammenstellung von Fehlern. Ursache wird an erster Stelle mein Aufwachsen sein, so wie die ausgeprägteren Essstörungen bei allen nicht wirklich die Ursache im Spiegelbild, sondern Erfahrungen haben, die nicht in ihrer Macht lagen und denen sie aufgeliefert waren. Aber ich hatte einen starken Hass auf meinen Körper entwickelt.
Seit ich im Februr 2004 mit dem Laufen begonnen hatte, war ich gewillt, an meinem Körper und meinem Selbstbild zu arbeiten. Die Jahre verstrichen und das Gewicht änderte sich immer wieder.
Die erste Wettkampfdiät 2014 war vorbei und da ich ja wusste, dass eine Diätform im Alltag nicht haltbar ist und ich etwas zunehmen würde, gönnte ich mir auch ein bisschen was. Direkt im Dezember die Diät hinter sich zu haben war als Keksbäckerin aus Leidenschaft auch nicht ohne, selbst wenn ich die meisten Kekse ja sowieso verschenkte. Zunächst wollte ich ein Reverse Dieting machen, welches ohne die Kekse auch perfekt gewesen wäre. Man sah mir schnell überhaupt keinen Wettkampfsport mehr an. Gar nicht einmal, weil ich maßlos zunahm, sondern weil ich halt nicht auffallend muskulös war und darüber hinaus sehr viel Wasser speichere.
Ich wurde mehrfach angesprochen, dass ich ja nun wieder zugenommen hätte. Klar, das blieb nicht aus, ich wusste es – Und doch tat es sehr weh, denn ich fürchtete, dass man mich für maßlos hielt, was ich gar nicht war. Schon immer hatte ich viel mehr als jeder den ich kenne darauf geachtet, was ich esse. Ich hatte mir auch Sachen gegönnt, aber schon seit ich mit dem Sport begonnen hatte vertrat ich die Auffassung, dass Hauptmahlzeiten immer „sinnvoll“ sein müssen und Dinge enthalten sollten, die der Körper braucht. Die Snacks darüber hinaus konnten dann auch mal sinnfrei sein und einfach nur schmecken (wie die Kekse). Doch da ich eben eine Frau bin, sieht man mir den ganzen Aufwand nicht an. Ich bin absolut ehrlich, auch mit meinen Schwächen und sehr stolz drauf, dass ich zu meinen Schwächen stehen kann. Umso mehr fürchtete ich den Gedanken, dass die Leute um mich herum meinen Erzählungen, wie sehr ich auf meine Ernährung achte oder trainiere keinen Glauben schenken würden und mich für einen Geschichtenerzähler halten könnten. Ich merkte auch, wie ich nach beendeter Diät angesehen wurde. Fast so, als ob ich nun eine Enttäuschung wäre und ich fühlte mich halbwegs von außen unter Druck gesetzt, dass ich nun immer gut in Form sein müsste, damit ich von anderen nicht verurteilt werde. Ich fühlte mich in meiner Haut nicht wohl. Allerdings stellte ich fest, dass ich viel besser zurecht komme, als andere, die so gar nicht auf die Zeit nach dem Wettkampf vorbereitet waren. Ich hatte mir ja schon viele Gedanken gemacht, wie ich dann essen wollte und finde kaufbare Süßigkeiten auch langweilig – Mal ehrlich, die schmecken doch kaum nach etwas.
Als ich mit dem Juniorenmeister 2014 auf ein Training verabredet war, sprach ich dann einmal mit seinem Coach Claus Maibaum als erfahrenen Coach und wechselte ab Februar 2015 zu ihm. Bei Claus checkte ich mit inzwischen 58kg ein (Diät endete 2014 mit 49kg), die zu Diätbeginn im August 2015 zu 59/60kg wurden. Zwischenzeitlich mochte ich meine Form nicht, ging auch weiterhin nicht ins Freiband, habe mich aber zum allerersten Mal getraut, dies in Kauf zu nehmen, weil man zum Muskelaufbau Energie benötigt. So habe ich es dann auch geschafft, endlich ausreichend Kohlenhydrate zu essen. Die Mädels der Frühjahrssaison 2015 waren der Hammer und ich war voller Ehrfurcht und Willens, da irgendwie mitzuhalten.
Die Diät für die Herbstmeisterschaften 2015 lief dann irgendwann endlich mal richtig an. Huhn, grüne Bohnen und etwas Reis, dazu Leinöl standen täglich auf dem Speiseplan und lagen wunderbar im Magen, so dass ich mit keinem Blähbauch zu kämpfen hatte. Als die Diät lief, konnte ich Erfolge feiern und feststellen, dass ich endlich Bauchmuskeln hatte! Die habe ich dann jeden Morgen ausgiebig gefeiert. Ich hatte super Laune, war irgendwann auch mal müde aber so etwas von aufgeregt und tierisch gespannt auf den Wettkampf, ich konnte es gar nicht mehr erwarten. Ich war einfach nur heiß und hatte durchgehend eine gute Stimmung. Mein Freund, den ich inzwischen hatte, war eine mega Unterstützung und schenkte mir durch das häufige Einkaufen und Vorkochen, während ich noch beim Training war (welches kaum Cardio enthielt, wie ich es für geeigneter für mich halte) jeden Abend 2 bis 3 Stunden Ruhezeit, die ich in meiner ersten Saison nicht hatte. Ich lebte wahrhaftig einfach nur meinen Traum, der dann mit dem Klassen- und Gesamtsieg auf dem 2. Int. Niedersachsen Cup belohnt wurde. Eine Woche später durfte ich auf der Int. Deutschen Meisterschaft dann noch den 4. Platz mit nach Hause nehmen, nachdem ich während eines Nervenzusammenbruches nach der Vorwahl noch in Tränen ausbrach, dass an mir nichts dran ist und ich absolut ungeeignet wäre. Diesen Nervenzusammenbruch habe ich, wie inzwischen festgestellt, sonst immer 2 Tage vor Wettkampf, nur ohne Tränen. Völlig high nahm ich bei der Deutschen Meisterschaft den Loaded Cup Flyer für Ostern 2016 entgegen, den ich als Wettkampf ja auch schon im Hinterkopf hatte.
Die Saison war vorbei, einen Monat habe ich frei gegessen und auch ziemlich ziemlich viele Kekse, wußte ja, dass ab Januar erneut eine Diät begann – Ich hatte also nichts zu befürchten und war locker, dennoch aber dauernd am Kaschieren und hatte Angst vor den Blicken im Studio.
In der Frühjahrssaison 2016 gab ich Vollgas, um so gut wie möglich beim Loaded Cup zu starten. Bei meinem damit ersten internationalen Wettkampf konnte ich dann einen Finalplatz erreichen, genau genommen den 5. Es ging dann durch verdammt harte Wochen noch zur Berliner Meisterschaft, bei der ich meine Klasse gewann, zur Deutschen, bei der ich leider nur den 7. Platz und keinen Finalplatz erreichte und danach spontan weiter nach Luxemburg zum Int. Fed Cup, bei dem ich wieder auf dem 7. Platz landete.
Und dann… Ja dann wurde es schwer…
Nach 2 Saisons hintereinander war ich wirklich müde und kaputt, ausgehungert. Wie alle nahm ich mir vor, so wenig Gewicht wie möglich zuzunehmen und die Form so gut wie es geht zu halten. Ich habe schon gegessen, weil ich irgendwann wieder Hunger bekommen könnte. Keine schlechten Sachen, aber viel. Solange ich gutes aß, war alles in Ordnung. Probleme bereiteten dann das Salatdressing beim Italiener mit zwei Stück Ciabatta, Haferflocken mit Obst etc. Gluten und Glutamat, meine zwei Teufel… Selbst in geringen Portionen… Diese sorgten für Wassereinlagerungen in Händen, Beinen und Füßen von 2kg innerhalb kürzester Zeit. Ich konnte alles mögliche nicht ab, womit ich nicht gerechnet hatte. So war die Form also auch wieder total dahin, mein Gesicht hatte seine Pauschbacken wieder und das Sixpack war eh schon in den ersten Tagen überschwemmt. Schon wieder erreichten mich diese Blicke, diese Fragen „trainierst Du jetzt Deine Muskeln wieder ab?!“, „Du hast auch wieder zugenommen, oder?“, genau wie Aussagen „das ist jetzt viel schöner“. Letzteres ist nett, will man aber nicht hören, denn dann weiß man, wie weit man schon von dem weg ist, was man persönlich genießt.
Ich wollte doch so gern eine Athletin sein und auch als solche erkannt werden… Ich wollte aber auch ein normales gesundes Essverhalten haben, nicht dauernd Angst vor Hunger, auch nicht Angst davor haben, zuzunehmen oder wie meine Umgebung mich einschätzt, wollte genug „richtiges“ Essen, um aufzubauen. Ich nahm Stückchenweise zu, gar nicht mit extremen Schüben, da ich eben die Lebensmittelauswahl bald kontrollierte, Zucker und glutenhaltiges entfernte, aber ich fühlte mich absolut nicht mehr wohl, fragte Freunde, wie ich wirke, ob es schon zuviel wäre. Im September hatte ich dann nachher das Gewicht, welches ich bis heute habe. Ab da war ich aber auch satt und hatte das Sättigungsgefühl wieder (nach 3 Monaten…).
Ich kann mir heute nicht mehr erklären, woher der Wandel kam. Aber letzten Endes kann ich doch so authentisch sein wie ich will, die Menschen sehen mich als das, als was sie mich sehen wollen, weil sie es so brauchen. Es gibt soviele Menschen mit eigenen Problemen, geringem Selbstwert, die nicht wissen wer sie sind, wofür sie einstehen, denen man ein Spiegelbild dessen ist, was sie vielleicht selber zum Teil sein wollen aber mangels Willen/Disziplin nicht schaffen oder sie neiden einem grundlos irgendwas, was sie selbst nicht haben und glauben haben zu müssen… Jeder emfpindet mal Neid, aber nicht jeder oder wenige können damit angemessen umgehen. Gegen das, was bei anderen in den Köpfen vorgeht, kann man sich nicht wehren und will ich wirklich die Probleme anderer zu meinen machen? Und warum maße ich mir an, zu wissen, was andere über mich denken? Darüber können die sich doch ihren Kopf zerbrechen, aber nicht ich! Ich bin für das verantwortlich, was ich mache, denke und sage, aber nicht für das, was andere verstehen odere sehen (wollen). Ich lebe doch für mich, ich muss mit mir happy sein. Ich habe 3 Wettkampfsaisons geschafft und gar nicht einmal so wenig Erfolg gehabt. Ich war schon mein Leben lang immer auf mich gestellt und auf das, was ich von mir aus leisten kann. Ich bin doch eine Kämpfernatur mit Mut! Ich muss doch niemandem mehr was beweisen! Auf einmal hatte es Klick gemacht und ich war befreit. Seitdem esse ich fleißig meinen Reis und bin happy. Dumme Kommentare werden in die entsprechenden Schubladen gepackt und prallen dann ab.
Ich wollte schon immer ein Mensch sein, der grundsätzlich zufrieden ist, frei von äußeren Einflüssen und der gelegentlich kleine Highlights erleben darf, die das Leben etwas glanzvoller machen, als es der normale Alltag gestaltet. Genau das habe ich jetzt nach meinen bisherigen Wettkämpfen geschafft und dadurch auch den letzten Bereich ausgemerzt, der mich verunsichert hat – Ob andere mich zu Unrecht verurteilen und was sie von mir halten. Ich bin absolut frei und einfach nur entspannt.
Hallo Svenja, wow was für ein Artikel. Du hast es ja wirklich nicht leicht gehabt zu dir selbst zu finden und trotzdem immer weiter für das einstehen was man will da kann ich nur sagen, Respekt für diese Leistung. Leider ist es so das alles was anders ist von den meisten Mitmenschen argwöhnisch beäugt wird und was vermeintlich größer, besser ist wird versucht klein zu machen damit der vermeintlich schlechtere sich besser fühlen kann ohne irgendwelche Leistungen dafür bringen zu müssen.
Du wirst durch deine jetzige Einstellung zu dir deinen Weg machen davon bin ich überzeugt und auch der Sport wird dir viel geben, denn der größte Kritiker sind doch immer wir selbst da wir leider oder glücklicherweise, woher sollte die Motivation sonst kommen,, immer unserem Ideal hinterherlaufen. Wichtig ist eigentlich nur wie ich finde mit sich selbst zufrieden zu sein, vielleicht nicht immer mit dem Training aber immer mit dem Wissen alles gegeben zu haben.
LG
Horst
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Hallo Horst, Danke schön. Ich hatte von kleinauf so meine Aufgaben, Aber bis auf dass ich alles nachher über den Körper kompensierte, finde ich eigentlich, dass ich mich gut gemacht habe und würde jetzt zurückblickend nicht sagen, ich hatte es immer ur schwer. Daher benenne ich alles was so kommt gerne als Aufgaben und nicht als Probleme 🙂 Ich will ja schliesslich alles lösen. Liebe Grüsse Svenja
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Ich bin absolut gefesselt von diesem Beitrag…. Bei mir fing alles ganz ähnlich an; erst massive Essstörungen (Anorexia nervosa), danach folgten die D…Exzesse und das Feiern. Erst mit Verbindung des Kraftsportes, normalisierte sich nach einem sehr langen Weg, endlich mein Leben und „Lifestyle“. Mittlerweile trainiere ich fleißig und achte auf eine gesunde Lebensweise. Dieses Denken und Drehen rund um das Gewicht, ist nach wie vor – leider – ein großer Bestandteil meines Lebens…
Nichts desto trotz ist auch mein Wunsch, irgendwann einmal auf die Bühne zu gehen und mich in meinem Körper wohl zu fühlen.
Respekt an dich, liebe Svenja, für diese ehrlichen, offenen Worte deines Werdegangs! 🙂
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Liebe Julia,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich komme nun endlich dazu, Dir darauf zu antworten 🙂
Von dem Denken um das Gewicht herum loszukommen ist ein sehr sehr langer Weg und es ist normal, dauernd wieder dorthin zu gelangen. Wenn man es schafft, sich wirklich frei davon zu machen, wie die Außenwirkung ist und man es schafft, sich nur auf sich zu fokussieren, ist das schwerste und größte Stück getan.
Nachdem man einmal in Topform war, ist alles danach nicht mehr ausreichend – Stelle Dich da auf jeden Fall für später darauf ein und rechne damit. Es geht dann allen so. Das Gefühl, was „normal“ und „möglich“ ist, muss man sich unbedingt bewahren. Wann es soll es denn einmal soweit sein? 🙂
Liebe Grüße
Svenja
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Da sehe ich auch eine der großen Gefahren beim „Bühnengang“: das einmal Erschaffte, wird nicht mehr ausreichen und der bereits getrimmte Ehrgeiz läuft auf Hochtouren bis zum unermüdlich immer weitergehenden „Kampf“ gegen das Wasser, die Dellen und das immer wachsende Defizit, um in „Topform“ zu sein/ kommen…. *seufz*
Demnach taste ich mich gerade ganz vorsichtig an die erste „richtige“ Diät, erprobe wie ich verschiedene Lebensstile mit dem Defizit am besten und tiefsten nach unten hin ausbauen kann und schaue, wie sich der Kraftindex verändert.
So ganz unvorbereitet mag ich dann doch nicht loslegen. Natürlich ist für mich gerade auch besonders spannend, was nachstehend final, dann nun übrig bleibt von der so fleißig erarbeiteten Form 🙂
Deine erfrischenden und authentischen Blogeinträge, haben mir bis hier in schon sehr viel positive Energie und Freude gegeben, mach bitte weiter so!
Ich bin eine sehr begeisterte, seit kurzem neu gewonnene, Leserin deinerseits! 🙂
Zum Start; je nachdem, wie gut das Ganze jetzt läuft, KÖNNTE ich mir den Start zum Frühjahr 18 / Herbst 18 vorstellen.
Wie war es denn in Prag, du Liebe? 🙂
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Hallo Julia, leider komme ich nun erst zum Beantworten Deines Posts.
Ja, so eine Vorbereitung muss irgendwo schon geplant sein und vor allem den richtigen Zeitpunkt erwischen. Ich beobachte zwar auch Athletinnen, die nebenbei noch ihre Abschlüsse machen, gute Klausuren schreiben, in einen neuen Job starten und trotzdem eine Hammer Form hinlegen. Aber wenn man anderes Prioritäten nebenbei nicht auch noch hat, erleichtert das sehr vieles.
Den Artikel über Prag habe ich ja zwischenzeitlich schon geschrieben, damit es hier nicht wüstenartig zugeht. Ich freue mich sehr, dass mein Blog für andere Menschen, Dich, Sinn macht und positive Energie schenkt. Das ist wirklich toll.
Ganz liebe Grüße an Dich – Ich bin gespannt, wann Du starten wirst 🙂
Liebe Grüße
Svenja
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